Selbstzweifel sind schlecht! - Sind sie nicht!
Es ärgert mich, dass häufig darauf hingewiesen oder hingearbeitet wird: Selbstzweifel sind etwas Schlechtes. Und wenn Du sie hast, dann ist das gar nicht gut. Weder im Job – sei es bei Bewerbungen oder im Teamgespräch – noch in der Selbstständigkeit. Nicht in Verhandlungen und auch nicht bei der Partnerwahl. Selbstzweifel, ganz ganz schlecht. Damit kommt man nicht vorwärts. Mach die weg! Du bist doch wer! Sei doch stolz auf Dich! Selbstzweifel sind was für looser!
Und ich sage: EBEN NICHT! Der innere Zweifler ist hilfreich für Dein inneres Team, wenn man ihn richtig nutzt. Und wenn man das nicht alleine schafft, dann ist das auch nicht schlimm, dann finde ich es mehr als richtig und wichtig sich Unterstützung zu holen, bspw. mit einem Coaching oder einer Therapie.
Soll ich oder soll ich nicht? Ist das richtig oder nicht?
Diese Fragen begegnen mir im Alltag öfter. Sicherlich kennst Du sie auch. Jeder kennt sie.
Ich zweifle an Sachen, Inhalten, Menschen. In diesen Fällen kommt der Zweifel vorbei, um es mir möglich zu machen, mehrerer Perspektiven einzunehmen. Beispielsweise um eine Aussage o.ä. aus verschiedenen Richtungen zu beleuchten. Das ist dann meist meine Methode der Meinungsbildung, sprich der Zweifel hilft mir, Erkenntnis zu gewinnen.
Ich zweifle auch an mir, an meinem Können, an meinem Aussehen, an meinem Wissen. In diesen Fällen bin ich meist hin- und hergerissen zwischen dem Denken und dem Tun. Zwischen Kopf- und Bauchgefühl. Zwischen Herz und Verstand. Dies ist dann der Selbstzweifel. Du kennst ihn vermutlich. Schätzungsweise kommt der Selbstzweifel auch, um mir Erkenntnisse zu bringen. Allerdings fiel mir diese Sichtweise bisher schwer.
Der Zweifel wird zur Bremse, obwohl er hervorragend der Motor sein kann. Hast Du Dir darüber schon mal Gedanken gemacht?
Ausgebremst vom inneren Zweifler, anstelle ihn lieber als Motor zu nutzen
Das muss nicht sein. Du kannst den Selbstzweifel als Erkenntnisgewinn nutzen. Was ist dafür wichtig?
- Wehre Dich nicht gegen Selbstzweifel und werte Dich nicht gleich ab, wenn Du sie hast. Sie gehören dazu.
- Erkenne, warum Deine Selbstzweifel da sind.
- Lasse sie kleiner werden, indem Du sie aus verschiedenen Perspektiven ansiehst.
- Nutze den Selbstzweifel als positive Beschützer und als Antriebskraft Dinge auszuprobieren.
Beschäftigen wir uns einmal mit den folgenden Fragen, um den Selbstzweifel aus unterschiedlichen Perspektiven anzusehen:
- Wie ist Selbstzweifel definiert und was bedeutet er?
- Warum zweifeln wir?
- Was ist das Gute am Zweifeln und wie kann man den Selbstzweifel nutzen?
Am Ende gebe ich Dir 8 Tipps mit auf den Weg, wie Du Deinen Zweifler in Dein Team aufnimmst und ihn nutzt.
1. Wie ist Selbstzweifel definiert und was bedeutet er?
Wahrscheinlich kennst Du Deine innere Zweifler-Stimme, die Dich leise fragt:
- Ist das richtig? Stimmt das?
- Kannst Du das wirklich?
- Soll ich das machen?
- Ist das jetzt schon fertig?
- Hast Du überhaupt Ahnung davon?
Du fängst an Dich zu hinterfragen. Du zweifelst. Es muss nicht gleich der große Selbstzweifel sein, manchmal ist es seine kleine Schwester „Können-Zweifel“ oder sein kleiner Bruder „Wissen-Zweifel“ oder die Tante „Menschen-Zweifel“.
Der Duden sagt, beim Zweifel gehe es um Bedenken und schwankende Ungewissheit, ob etwas stimmig ist. Dem stimme ich zu. Ich kenne das Gefühl uneinig mit sich zu sein und Bedenken zu haben. Ich zweifle entweder an mir (so ist der Selbstzweifel in der Psychologie definiert) oder an anderen.
Die Wortherkunft des Zweifels (mittelhochdeutsch zwîvel, althochdeutsch zwîval aus germanisch twîfla, „doppelt, gespalten, zweifach, zwiefältig“) ergibt sich aus einer Wortzusammensetzung der Worte „twi“ für zwei und dem Suffix -falt, das etymologisch mit dem heutigen Wort Falte gleichzusetzen ist. Dies führte zur Wortbedeutung zwiespältig.
Zwiespältig beschreibt in meinen Augen auch das Wort Selbstzweifel gut. Und wahrscheinlich kennst Du auch das Gefühl, wie „zwischen zwei Dingen“ zu sein. Oft dem Überzeugt sein und dem Schwächeln. Dem Denken und dem Tun. Oder auch zwischen dem Herz und dem Verstand.
Bei mir beginnt der Zweifel in dem Moment, wo mir etwas nicht stimmig vorkommt. Sei es, wenn ich an einer Geschichte zweifle, die mir jemand erzählt oder mir jemand sich selbst zu sehr anpreist. Gleiches passiert im Falle des Selbstzweifels. In dem Moment, in dem ich etwas umsetzen möchte, zu dem ich mir bereits Gedanken gemacht habe, fällt er mich an. Sprich in dem Moment, in dem ich gefühlt an der Schwelle zur Realität stehe etwas umzusetzen, was sich zuvor nur in meinem Kopf abgespielt hat. Mit der Frage: Kann ich das? Habe ich die Fähigkeiten, das Talent etc. dazu?
Vorher befindet sich alles in meinem Kopf, da kann keiner reinsehen, also kann mich auch keiner kritisieren. Außer mir selbst natürlich. Und wie es so ist, ist man bekanntlich selbst der größte Kritiker.
2. Warum zweifeln wir?
Die erste Antwort, die mir dazu einfällt, ist: Weil wir uns Dinge nicht zutrauen. Sprich kein Vertrauen in uns selbst haben. Die zweite Antwort, die mir einfällt, ist: weil wir anderen nicht trauen. Beides hat also mit Vertrauen zu tun.
Wir zweifeln auch, weil wir uns selbst nicht wertschätzen, sprich beispielsweise die Erfahrungen, die wir gemacht haben als weniger wertvoll einschätzen, als die Erfahrungen die andere gemacht haben.
An sich selbst zweifeln hat also mit mangelndem Vertrauen und mangelnder Wertschätzung uns gegenüber zu tun. Daraus erwachsen die folgenden positiven Dinge, wenn ich diese Überlegung konstruktiv weiterdenke:
- Stärke ich das Vertrauen = zweifle ich weniger
- Steigere ich die Wertschätzung = zweifle ich weniger
Die Frage ist nun, wie kann ich das machen? Das ist ein Prozess, leider nichts, was man mit einem Fingerschnippen verändert. Dafür muss man das eigene Selbstvertrauen aufbauen und den eigenen Selbstwert.
Das Vertrauen in Dich baust Du auf, in dem Du Dinge wagst, in dem Du Erfahrungen machst. Das Dumme ist allerdings:
- Vertrauen in sich selbst erwächst aus eigenem Urteilsvermögen,
- eigenes Urteilsvermögen erwächst aus eigenen Erfahrungen,
- eigene Erfahrungen erwachsen allerdings aus keine-Ahnung-haben und einfach mal machen.
- Sprich den inneren Zweifler an die Hand zu nehmen, ins Team zu holen und zu nutzen.
3. Was ist das Gute am inneren Zweifler?
Der innere Zweifeler versucht Dich zu schützen und er möchte zu Deinem inneren Team gehören. Er will Dich darauf hinweisen, dass es sich lohnen kann, sich noch einmal Gedanken zu machen. Er will Dir Hinweise geben, die zu Deinem Erkenntnisgewinn beitragen. Der Zweifel ist ein Fragensteller, der gerne gehört werden möchte. Gibst Du ihm den Raum nicht, wird er einfach immer lauter und fordernder. Er möchte, dass Du ihn wahrnimmst und seine Fragen beantwortest. Du sollst Dir seine Argumente anhören und dann ist er auch gerne bereit zu verhandeln.
8 Tipps den inneren Zweifler in Dein Team aufzunehmen & zu nutzen
- Erkenne Deinen Zweifel und beschäftige Dich damit.
- Frage Dich worum es ihm geht und wovor Dich Dein Zweifel schützen will.
- Überlege Dir, was berechtigte Einwände sind und was überflüssige.
- Gib dem Zweifel Raum, in dem Du Dich beispielsweise schriftlich mit ihm auseinandersetzt.
- Schreibe beispielsweise eine Pro und Contra Liste oder male Dir eine Mindmap.
- Bringe den Zweifel aus Deinem Kopf raus, auf ein Papier, in ein Gespräch, auf ein Bild etc.
- Versuche Lösungen zu finden (eventuell auch mit Gesprächspartnern*innen), die Deine Zweifel kleiner werden lassen.
- Nutze ihn als Motor, in dem Du die ihn als Beschützer siehst und dann gemeinsam mit ihm Gas gibst.
In diesem Sinne, viele Grüße von meinem inneren Zweifler an Deinen!
Bleib vergnügt!